Die Trofeo Mezzalama – der heilige Gral des Skibergsteigens
Die Trofeo Mezzalama ist das höchste alpine Skitouren-Rennen der Welt und einer der härtesten Wettbewerbe dieser Sportart. Um die Strecke durch das italienische Monte-Rosa-Massiv bewältigen zu können bedarf es gezielter Vorbereitung und großer Leidensfähigkeit am Wettkampftag. Benedikt Böhm hat sich dieser Herausforderung bereits mehrmals gestellt und verrät, was es braucht, um hier zu bestehen.
Ultimativ, legendär, verrückt, am Limit – wenn Skibergsteiger von der Trofeo Mezzalama sprechen, dann reihen sich die Schlagworte und Superlative aneinander wie Schönwetter-Skifahrer bei strahlendem Sonnenschein an den Schlangen der Sessellifte. Die Patrouille de Glacier gilt als der bekannteste Wettbewerb im Skibergsteigen und ist spätestens seit der Teilnahme von Pippa Middleton auch einem breiteren Publikum ein Begriff. Demgegenüber hat sich die Trofeo Mezallama als das härteste und anspruchsvollste Rennen dieser Disziplin einen Namen gemacht. Im Gegensatz zur PDG muss man bei der Mezzalama nicht nur in sportlicher Höchstform sein, sondern zudem viel alpines Know-how sowie ein großes Maß an Eigenverantwortung mitbringen. Auch für mich als erfahrenen Speedbergsteiger war und ist die Trofeo Mezzalama alles andere als ein Zuckerschlecken. Vielmehr stellt sie eine echte Herausforderung dar, die einem konditionell und mental einiges abverlangt. Zweimal – 2011 und 2017 – durfte ich das legendäre Rennen erfolgreich bestreiten. Eins habe ich dabei gelernt: Die Mezzalama ist nur etwas für Hartgesottene und es schadet sicher nicht, auch ein bisschen verrückt zu sein. Lohnenswert ist es aber allemal, denn kein anderes Rennen vereint all das, wovon Skibergsteiger träumen – und was ihnen zugleich Respekt einflößt – in einer derart beeindruckenden Art und Weise. Das Niveau ist unglaublich hoch – aber der Spaßfaktor ist es auch.
Die PDG meistert den Spagat zwischen Abenteuer und Sicherheit perfekt – bei der Mezzalama überwiegt eher das Abenteuer.
Bereits die reinen Fakten machen deutlich, dass die Trofeo Mezzalama kein Spaziergang ist: Alle zwei Jahre wird der Wettbewerb im Monte Rosa-Massiv im Angesicht von Breithorn, kleinem Matterhorn und der beiden bekannten Zwillingsbergen Castor und Pollux ausgetragen. Der klassische Streckenverlauf führt von Breuil-Cervinia bis nach Gressoney-La-Trinité. Insgesamt müssen rund 45 Kilometern sowie 2.862 Höhenmeter im Anstieg und 3.145 Höhenmeter in der Abfahrt bezwungen werden. Die Strecke führt dabei mehrmals über die 4.000 Meter-Grenze und unter anderem über den ausgesetzten und teilweise nur 30 cm breiten Grat des Castor Gipfel. Auch die zu passierenden Pässe haben es in sich und erfordern von den 900 Teilnehmern, die in Dreierteams gegeneinander antreten, vollste Konzentration. Gerade die Il Naso di Lyskamm wird bei eisigen Bedingungen schnell zu einer Schlüsselstelle mit potentieller Absturzgefahr. Technische Passagen über Steilstufen mit Blankeis und schmale Grate sind aber noch längst nicht alles, was die Mezzalama zu bieten hat. Abgerundet wird das alles durch eine schier endlos erscheinende Abfahrt mit unzähligen Buckeln und einer teils extrem sulzigen Piste als Sahnehäubchen zum krönenden Abschluss.
Eigenverantwortung ist bei der Mezzalama wichtig
Angesichts dieser Herausforderung ist es kein Wunder, dass die Organisatoren rund um Adriano Favre die Teilnehmer nach harten Kriterien auswählen. Anders wäre ein solches Rennen mit einem derart hohen Anspruch schlichtweg nicht möglich. Die Mezzalama ist keine verantwortungslose Veranstaltung, vielmehr setzt sie auf viel Eigenverantwortung der Teilnehmer. Über den Auswahlprozess und strikte Zeitlimits möchten die Organisatoren sicherstellen, dass wirklich nur solche Skibergsteiger an den Start gehen, die über die notwendigen Fähigkeiten und das technische Können verfügen, um die Strecke zu meistern. Denn eines muss man sagen: Die Mezzalama ist teilweise eine wirklich ernste Geschichte. Die Gefahr eines Absturzes, bei dem man auch die ganze Mannschaft mit abräumen kann, ist durchaus gegeben. Die Mezzalama ist kein Abenteuerspielplatz – sie ist ein echtes Abenteuer. Von welchem Kaliber die Teilnehmer daher sind, zeigt nicht zuletzt ein Blick auf Ergebnisse bzw. Zeiten: Normale Tourengeher brauchen für die Strecke in der Regel drei Tage. Bei der Trofeo Mezzalama legen die Top-Teams die Distanz in weniger als viereinhalb Stunden zurück! Hört sich nach Schinderei an? Ist es auch! Aber gleichzeitig gibt es eben auch kaum ein schöneres Gefühl als in einer derart großartigen und imposanten Landschaft an seine Grenzen zu kommen und am Ende dann vollkommen ausgepowert und überglücklich über die Ziellinie zu laufen. Ein Moment der Erleichterung und der Zufriedenheit, der nur schwer in Worte zu fassen ist. Mit regelmäßigem Training ist die Mezzalama aber für jeden ambitionierteren Skibergsteiger machbar.
Der besondere Charme der Mezzalama liegt im hohen technischen Anspruch gepaart mit einer beeindruckenden Kulisse
Ein unberechenbarer Faktor, mit dem die Mezzalama zu einer noch größeren Herausforderung werden kann, ist wie so oft das Wetter. Ich erinnere mich noch gut an meine erste Mezzalama im Jahr 2011 und mein Schlüsselerlebnis. Es war unbeschreiblich kalt. Vor Kälte schlotternd standen wir vor einer der eisigen Gratpassagen in der „Warteschlange“. Über uns kreisten die Hubschrauber und setzten Wärmekabinen ab, in denen die Rennläufer Schutz fanden, die vollkommen unterkühlt und außer Kräften waren. Spätestens da wurde mir bewusst, dass die Trofeo Mezzalama ein wirklich spannendes Rennen ist, bei dem man in Höchstform sein muss – aber das alleine noch bei Weitem nicht reicht, um sicher im Ziel anzukommen. Vielmehr braucht man auch eine gute Taktik, ein starkes Team und natürlich das richtige Equipment. Meiner Erfahrung nach sind dabei vor allem die folgenden 8 Punkte zentral:
1. Warm bleiben hat oberste Priorität
Bei der Mezzalama passiert man mehrfach die 4.000er Marke und dementsprechend kalt sind die Temperaturen auch bei guten Bedingungen. Sobald man friert, sollte man sofort stehen bleiben und etwas anziehen. Die Grundregel ist einfach: Man steigt immer höher und daher wird es nie besser mit der Kälte, sondern immer nur schlimmer. Irgendwann muss man eh anhalten und sich etwas Wärmeres überziehen. Daher macht man das lieber gleich. So lassen sich Ressourcen und Kräfte sparen. Wir konnten auch bei anderen kalten Rennen am Ende Leute überholen, die eigentlich deutlich über unserem Niveau waren, aber die zu viel Energie verloren haben, weil sie wie Eiszapfen gefroren haben. Kurzum: Den Körper warm halten, dann ist er leistungsfähiger. Gerade auch bei den technischen Wechseln ist es wichtig, dass man nicht ausgekühlt ankommt. Wenn die Finger komplett eingefroren sind, dann schafft man es nur mit großer Mühe die Steigeisen anzulegen oder die Felle aufzuziehen.
Mein Produkt-Tipp: Die DYNAFIT Borax Primaloft Handschuhe finde ich genial. Die Fäustlinge sind angenehm warm, aber wenn man Kühlung benötigt oder etwas mehr Feinmotorik gefragt ist, dann schlüpft man einfach mit den Fingern durch die praktische Öffnung an den Handfläche und kann wunderbar arbeiten. Den Handschuh behält man dabei aber an und läuft somit auch gar nicht erst Gefahr, ihn zu verlieren.
2. Beim Gewicht nicht an der falschen Stelle sparen
Natürlich ist es essentiell bei einem Rennen wie der Mezzalama mit möglichst wenig Gewicht unterwegs zu sein. Wer leicht unterwegs ist, der spart Kräfte und ist damit auch schneller. Dabei darf man aber nicht an der falschen Stelle sparen. Eine leichte, aber zugleich warme Isolationsjacke sollte man als zusätzliche Schicht unbedingt mit im Gepäck haben. Es kommt bei der Mezzalama nicht selten vor, dass sich an Schlüsselstellen kleinere Staus bilden und man in der Kälte ausharren muss, bis es weiter geht. Um da nicht auszukühlen, sollte man sofort eine zusätzliche Schicht überziehen. Außerdem sind natürlich nicht immer alle Mitglieder des Teams gleich schnell und man muss gelegentliche Pausen einplanen. Auf wärmende Klamotten zu verzichten, nur um ein paar Gramm weniger mit dabei zu haben, wäre die falsche Entscheidung.
Mein Produkt-Tipp: Die Radical Down Kapuzenjacke ist mit 422 Gramm extrem leicht und gleichzeitig sehr warm. Das Außenmaterial ist schneeabweisend und dank Stretcheinsätzen hat man ausreichen Bewegungsfreiheit. Perfekt, wenn es auf Tour richtig kalt wird.
3. Go slow to go fast
Bei einem langen Rennen wie der Mezzalama ist es wichtig, sich eine gute Taktik zurecht zu legen, wie man sich die Strecke einteilt. Es erstaunt mich immer wieder, dass manche Teilnehmer nach dem Startschuss lossprinten als ginge es um einen 100-Meter Lauf und nicht um einen mehrstündiges Rennen. Meiner Erfahrung nach sollte man keinesfalls zu schnell anfangen, sondern besser auf ein konstantes Tempo setzen, das man über die komplette Strecke halten kann. Hinten raus zahlt sich das normalerweise immer aus. Dann kann man wieder Plätze gut machen und die einsammeln, die zu schnell gestartet sind und dann auf den letzten Kilometern einbrechen. Mit einem gleichmäßigen Tempo bleibt man im Flow und irgendwann läuft es dann „fast“ wie von selbst.
4. Trinken und Essen nicht vergessen
Der Körper kann nur dann Bestleistungen abrufen, wenn er über genügend Energiereserven verfügt. Auch wenn man keinen Hunger oder Durst verspürt, ist es extrem wichtig, immer wieder nachzulegen und so eine konstante Versorgung zu gewährleisten. Am besten alle 45 Minuten in kleinen Schlucken trinken und Powergels oder Riegel zu sich nehmen. Wenn man richtig hungrig ist oder in Unterzucker gerät, dann ist es zu spät. Daher regelmäßig essen und trinken. Am besten immer wieder ein Gel zu sich nehmen – das geht schnell und es ist gut verdaulich. Die Gels sollte man direkt am Körper aufbewahren, damit sie warm bleiben. Einen Riegel zu essen kann bei Kälte und einem eingefrorenen Gesicht leicht zu einer echten Herausforderung werden. Getränkeflaschen sollte man für einen schnellen Zugriff direkt außen am Rucksack befestigen oder in einer Trinkblase mit dabei haben. Da es bei der Mezzalama sehr kalt ist, muss man die Trinkblase unbedingt direkt am Körper tragen, damit sie nicht einfriert.
Mein Produkt-Tipp: Mit der Race Thermo Bottle und dem dazu passenden isolierten Alpine Bottle Holder hat man Wasser oder Isodrinks stets griff- und trinkbereit.
5. Gut akklimatisiert läuft es sich leichter
Die Mezzalama ist ein hochalpines Rennen. Dementsprechend ist es empfehlenswert, sich gut zu akklimatisieren. Das Breithorn bietet sich für eine Tour mit Übernachtung auf der Höhe an. Wenn es die Zeit zulässt, dann schadet es natürlich auch nicht, dem Gipfel des Castors schon einmal einen Besuch abzustatten. So kann man sich mit den technischen Schlüsselpassagen im Zustieg bereits vertraut machen und profitiert davon im Rennen selbst. Ganz nebenbei wird man vom Gipfel mit einem herrlichen Ausblick über die Walliser Alpen und die umliegenden Berge wie Pollux, Lyskamm oder Felikjoch belohnt.
6. Technische Wechsel üben und Ordnung halten
Bei der Mezzalama ist alles mit dabei: Laufen mit Ski auf dem Rücken, Aufstieg und Abfahrt mit Ski inklusive mehrmaligem An- und Abfellen sowie Gratpassagen in ausgesetztem Gelände mit Steigeisen und Sicherung am Seil. Der Wechsel zwischen den einzelnen Disziplinen will gelernt sein. Jeder Handgriff muss sitzen, um keine unnötige Zeit zu verlieren. Jedes Teil hat seinen Platz an und im Rucksack und man muss Ordnung halten. Es ist unglaublich nervig, wenn die Steigeisen irgendwo rumbaumeln oder die Ski beim Laufen nicht richtig befestigt sind. Hier sind Sorgfalt, Vorbereitung und Konzentration gefragt. Jedes Teammitglied braucht sein eigenes System und man muss die einzelnen Handgriffe unbedingt vorher einstudieren. Nur so ist man gemeinsam effizient und stressfrei unterwegs.
Mein Produkt-Tipp: Der Speed 20 Rucksack ist der perfekte Partner für anspruchsvolle Skitouren und lange Rennen. Mit einem Volumen von 20 Litern bei gerade einmal 360 Gramm bietet er genügend Platz für alle Utensilien, die mit auf Tour müssen. Zahlreiche durchdachte Features wie ein separates Fach für das Safety Equipment, ein abnehmbares Ski-Tragesystem sowie Befestigungen für Helm und Pickel sowie eine separate Steigeisentasche sorgen für Ordnung und super effiziente Bedienung ohne den Rucksack je abziehen zu müssen. Der Speed 20 Rucksack ist ein echtes Meisterstück für athletische Skitourengeher.
7. Man kann nur im Team erfolgreich sein
Die Mezzalama ist ein Teamwettbewerb. Man kämpft und man leidet zu dritt – und freut sich dann auch am Ende zu dritt. Bei manchen Teams hat man aber das Gefühl, sie kämpfen nicht miteinander, sondern vielmehr gegeneinander und versuchen sich ständig zu überbieten. Natürlich pusht man sich gegenseitig und das ist auch das Besondere an einem solchen Teamwettbewerb. Aber es muss jedem klar sein, dass man eben nur so stark ist, wie das schwächste Teammitglied. Dementsprechend muss man das Tempo nach dem vermeintlich Langsamsten richten und sich gegenseitig helfen. Jedes Mitglied trägt seinen Teil zum Erfolg bei. Der eine ist vielleicht körperlich weniger stark, aber hat dafür immer einen motivierenden Spruch auf den Lippen. 2017 hatte ich die große Freude, mit meinem langjährigen Freunden Javi und Arnaud an der Mezzalama teilnehmen zu dürfen. Wir waren sehr gut aufeinander eingestimmt und haben uns optimal ergänzt. Wenn man selbst schneller unten oder oben ist als die anderen, dann hilft man dem nächsten Teammitglied beim technischen Wechsel und dem Aufziehen von Fellen bzw. Steigeisen oder hat schon ein Gel und etwas zu trinken für ihn bereit. Mit einem solchen Gespann macht die vermeintliche Schinderei gleich viel mehr Spaß und man ist insgesamt und miteinander schneller. Darum geht’s!
8. Abfahren am Seil will gelernt sein
Das Abfahren am Seil in anspruchsvollstem Gelände ist die Königsdisziplin in einem Team-Wettbewerb wie der Mezzalama. Bei dieser Dreiecksbeziehung sind volle Konzentration und Koordination gefragt. Man sollte unbedingt vorher üben wie man gemeinsam abfährt und festlegen wer voraus fährt. Am besten vereinbart man Handzeichen, damit allen klar ist, wo das Team lang fährt und wann angehalten wird. Wenn der Vordere nach rechts will und der Hintere nach links, dann nimmt das bei 60 bis 70 km/h kein gutes Ende. Eine Erfahrung, die wir 2017 auch machen durften. 80 Kilo wollten in die eine Richtung, 80 Kilo in die andere und uns hat es in der Luft dementsprechend richtig zerfetzt. Da kann es dann schonmal eine Weile dauern bis man sich wieder aus dem Seil befreit hat...
Benedikt Böhm ging 2011 und 2017 bei der Trofeo Mezzalama an den Start. 2017 belegte er zusammen mit Arnaud Anguera Bigas und Javier Martin de Villa den 26. Platz von insgesamt 300 Teams. 6 Stunden und 23 Minuten benötigte das Dreiergespann für die Strecke. Das Sieger-Team 2017 um DYNAFIT-Athlet Damiano Lenzi absolvierte die Mezzalama in unglaublichen 04:18 und stellte damit einen neuen Streckenrekord auf.
Die nächste Trofeo Mezzalama findet am 27. April 2019 statt. DYNAFIT ist erneut Hauptsponsor des Rennens. Neben zahlreichen Athleten werden auch die sechs Gewinner der „Mountopia Mezzalama“ in zwei Dreierteams an den Start gehen.